Schattenspiel

Theaterspielen in der kultur- und religionssensiblen Bildung

für Kitas und Schulen
Schattenspiel
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Bühne

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Theater und Religion

Wer in einem christlichen Kontext sozialisiert wurde und / oder in Deutschland zur Schule oder in die Kita gegangen ist, wird sich sicherlich an das ein oder andere Krippenspiel erinnern. Vielleicht an das ganz klassische mit Kindern in wallenden Gewändern und mit angeklebten Bärten. Oder an ein solches, bei dem Pädagog:innen versuchten, Bezüge zu den Lebensrealitäten der Kinder herzustellen, indem sie die Hirten mit Fahrrädern auf die Bühne fahren und die Engel ihre frohe Botschaft mit E-Gitarren verkünden ließen. Obwohl Krippenspiele in den meisten deutschen Kindergottesdiensten zu Weihnachten nicht fehlen dürfen, lassen sich Schnittstellen zwischen Religion und Theater natürlich bei weitem nicht auf solche Traditionen beschränken. Bezüge zwischen beiden Bereichen sind mannigfach und kulturübergreifend zu beobachten – angefangen bei dem oben geschilderten Nachspielen von Überlieferungen bis hin zum Zusammenhang von Ritual und Theater.

Nicht verwunderlich ist es daher, dass die Religionspädagogik die Macht des Theatralischen und Performativen längst für sich entdeckt hat. Davon zeugen Publikationen wie “Gott in Szene setzen: Bibelperformance und Religionstheater im Unterricht” (Brinkmann 2013) und “Bühnenreif: die Bibel: Theater spielen mit 6- bis 12-Jährigen” (Brennfleck 2005). Der pädagogische Wert des Theater-Sehens und Theater-Spielens wurden in der Geschichte des Theaters immer wieder herausgestrichen, angefangen mit den Bildungsanliegen antiker Dramen. (Kaiser und Kubik 2022, 79) Auch heute wird allgemein davon ausgegangen, dass das Theaterspielen dazu anregt, unterschiedliche Verhalten zu erproben und eigene Denk- und Handlungsmuster zu reflektieren. Das Theaterspiel hat somit ein prägendes soziales Moment (Kaiser und Kubik 2022, 80), woraus seine “integrative und transformative Kraft” (Hentschel 2015, 118) resultiert. Diese transformative Kraft machen sich einige Theaterformate zunutzen, die auf die politische Wirkmacht des Theaterspielens setzen. Man denke nur an das Theater der Unterdrückten nach Augusto Boal. In dessen Rahmen sieht die Methode des Forumstheaters vor, dass die Zuschauenden in eine problemzentrierte Szene eingreifen, bis die gezeigten Handlungen zu einem für sie befriedigenden Resultat führen. (Howard 2004, 224)

Was ist Theaterpädagogik?

Der Begriff der Theaterpädagogik entstand in den 1970-er Jahren im Zuge der Bildungsoffensive der Sozialdemokraten. Während der frühen Theaterpädagogik vor allem ein soziopolitischer Auftrag angedacht und sie als Mittel der gesellschaftlichen Emanzipation gesehen wurde, wurde im darauf folgenden Jahrzehnt eher die ästhetisch-künstlerische Erfahrung als Mittel der Persönlichkeitsbildung fokussiert. (Hentschel 2015, 107–108) Viele zeitgenössische Theaterpädagog:innen sprechen sich allerdings gegen die Verzwecklichung und Funktionalisierung des Theaters aus. Theaterpädagogik dürfe nicht damit eingergehen, dass dieses in “enge Didaktiken” (Hentschel 2015, 115) gepresst werde. Statt um Effizienz und Leistung gehe es um das Erlebnis. (Hentschel 2015, 117) Theater erscheint in diesem Zusammenhang als “notwendig disparates, kontroverses Ereignis” (Primavesi 2014, 27), das ästhetische Ambiguitäten aushält und provoziert.

Beeinflusst durch postdramatische Praktiken, bei denen die Rolle der Illusion und des Rollenspiels, des So-tuns-als-ob in den Hintergrund tritt, nimmt Theater mit Kindern und Jugendlichen inzwischen folglich vor allem den Stellenwert eines Experimentierraums ein, wobei Theater in neuen Räumen und Kontexten stattfinden kann. (Primavesi 2014, 16–18)

Kindertheater

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Theaterpädagogik in der kultur- und religionssensiblen Bildung

Was heißt das nun also für kultur- und religionssensible Bildung? Zuerst einmal hat Theaterspielen ein hohes Potenzial für kulturell und religiös heterogene Gruppen von Kindern und Jugendlichen. Das gemeinsame Spiel reduziert Distanz, baut Hemmschwellen ab und erlaubt es, einander auf eine neue Art und Weise zu begegnen. Dabei können Kinder gleichzeitig unterschiedliche Rollen erproben, bislang unbekannte Perspektiven einnehmen und etwaige Konfliktsituationen durchspielen, bevor sie tatsächlich eintreten. Viele Kinder und Jugendliche gewinnen durch Theater an Selbstbewusstsein, vor allem, wenn sie darin auch eigene, für sie relevante Themenschwerpunkte setzen können. Theater kann zudem sprachliche Kompetenzen fördern und / oder Sprachbarrieren überwinden, weil der körperliche Ausdruck den verbalen ergänzt. Auch lässt es sich durch ortsbezogene Performances gut mit Lernerfahrungen an ungewöhnlichen Orten verbinden. Das Projekt Urban Prayers – Osnabrück I–III aus dem Jahr 2017 zeigt beispielsweise, wie dabei Akteure aus dem Sozialraum einbezogen und unterschiedliche religiöse Orte bespielt werden können. Dabei entwickelten drei Jugend- und Studierendenclubs jeweils ein Stück mit Religionsbezug und führten es in Kooperation mit einer jüdischen, einer christlichen und einer muslimischen Gemeinde in deren Räumlichkeiten auf. Im Vorfeld hatten sie sich ein Jahr lang mit den eigenen (a)religiösen Sozialisierungen und den Praktiken der involvierten Religionsgemeinschaften auseinandergesetzt. (Kaiser und Kubik 2022)

Der Begriff der Theaterpädagogik entstand in den 1970-er Jahren im Zuge der Bildungsoffensive der Sozialdemokraten. Während der frühen Theaterpädagogik vor allem ein soziopolitischer Auftrag angedacht und sie als Mittel der gesellschaftlichen Emanzipation gesehen wurde, wurde im darauf folgenden Jahrzehnt eher die ästhetisch-künstlerische Erfahrung als Mittel der Persönlichkeitsbildung fokussiert. (Hentschel 2015, 107–108) Viele zeitgenössische Theaterpädagog:innen sprechen sich allerdings gegen die Verzwecklichung und Funktionalisierung des Theaters aus. Theaterpädagogik dürfe nicht damit eingergehen, dass dieses in “enge Didaktiken” (Hentschel 2015, 115) gepresst werde. Statt um Effizienz und Leistung gehe es um das Erlebnis. (Hentschel 2015, 117) Theater erscheint in diesem Zusammenhang als “notwendig disparates, kontroverses Ereignis” (Primavesi 2014, 27), das ästhetische Ambiguitäten aushält und provoziert.

Beeinflusst durch postdramatische Praktiken, bei denen die Rolle der Illusion und des Rollenspiels, des So-tuns-als-ob in den Hintergrund tritt, nimmt Theater mit Kindern und Jugendlichen inzwischen folglich vor allem den Stellenwert eines Experimentierraums ein, wobei Theater in neuen Räumen und Kontexten stattfinden kann. (Primavesi 2014, 16–18)

Afroamerikaner:innen

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Rassismuskritische Perspektiven

Theaterpädagogische Ansätze fördern also einerseits die Gruppenkohäsion und das Verständnis für einander und können andererseits ebenfalls ein Format darstellen, über das unterschiedliche Glaubensinhalte und Traditionen erfahrbar gemacht werden. Jedoch sollte in diesem Zusammenhang immer auch eine rassismuskritische Perspektive eingenommen werden, denn zu schnell passiert es, dass beim Schlüpfen in neue Rollen Stereotype reproduziert und “[d]ie Vielfalt an Sprachen, Erfahrungen, Religionen und kulturellen Kontexten […] im Zuge ihrer Wertschätzung exotisiert” (Eker 2022, 30) werden. Schon allein, die Heterogenität der Gruppe zum Schwerpunktthema des Spiels zu machen, ist nicht zu empfehlen. Stattdessen bietet es sich an, nach Themen zu suchen, die die Gruppe als Ganzes betreffen und es ihr erlauben, auf ihren kulturellen Reichtum zurückzugreifen, ohne dass die Aufmerksamkeit immerzu auf die Unterschiede zwischen den Mitgliedern gelenkt wird. (Schreiber und Schmitt 2016)

Problematisch wird es ebenfalls, wenn die Mitspielenden von vornherein auf ein Merkmal reduziert werden, an dem sich eine zu erarbeitende Inszenierung orientiert – wie beispielsweise Fluchterfahrung oder ökonomische Benachteiligung. Gewinnbringender im Sinne einer kultursensiblen und diskriminierungskritischen Haltung ist es, die Teilnehmenden ihre Identitäten und Erfahrungen, die sie einbringen möchten, selbst wählen zu lassen. (Reinhardt 2016)

Die Theaterwissenschaftlerin Azadeh Sharifi macht darauf aufmerksam, dass in einer deutschen Gesellschaft, die inzwischen als postmigrantisch zu bezeichnen sei, ein starkes Ungleichgewicht zwischen den Migrationserfahrungen der jugendlichen Zielgruppe theaterpädagogischer Projekte und den anleitenden Pädagog:innen bestehe. Letztere seien zumeist weiß und hätten selbst keine Migrationsbiographie. Das stelle die Spieleitung vor die Frage, was es bedeute, “mit Kindern und / oder Jugendlichen […] Theater zu machen, deren Erfahrungsspektrum weit über das eigene hinausreicht”. (Sharifi 2022, 48)

Klar sollte also sein, dass eine Spielleitung, die kultur- und religionssensibel arbeiten möchte, ihre eigenen Annahmen und Blickwinkel kontinuierlich reflektieren muss. Sie sollte zudem eine Atmosphäre schaffen, in der die Spieler:innen Störgefühle und / oder Rassismen benennen können und dabei ernstgenommen werden. (Eker 2022, 30) Das spielerische Lernen sollte ohne Leistungsdruck geschehen, wobei die Spielleitung den Prozess eher moderiert, anstatt ihn lenken und so festgesetzte Lerninhalte vermitteln zu wollen. Auch kommt es darauf an, unterschiedliche Perspektiven gleichwertig zuzulassen. Spieler:innen sollten die Möglichkeit haben, eigene Erfahrungen in den Prozess mit einzubringen, ohne dazu gezwungen zu sein.

Literaturverzeichnis

Brennfleck, Stefan. 2005. Bühnenreif: die Bibel: Theater spielen mit 6- bis 12-Jährigen. Calwer Materialien Anregungen und Kopiervorlagen. Stuttgart: Calwer Verl.

Brinkmann, Frank Thomas. 2013. Gott in Szene setzen: Bibelperformance und Religionstheater im Unterricht. Göttingen Bristol, Conn: Vandenhoeck & Ruprecht.

Eker, Sinem. 2022. Rassismuskritische Theaterpädagogik. Schultheater 2022, Nr. 50 (8. September): 30–31. doi:https://doi.org/10.5555/st-50-2022_08.

Hentschel, Ingrid. 2015. Ereignis und Erfahrung. Theaterpädagogik zwischen Vermittlung und künstlerischer Arbeit. In: Theater und Schule. Ein Handbuch zur kulturellen Bildung, hg. von Wolfgang Schneider, 105–129. transcript Verlag, 27. Juli. doi:10.1515/9783839410721, https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783839410721/html (zugegriffen: 26. Mai 2023).

Howard, Leigh Anne. 2004. Speaking theatre/doing pedagogy: re‐visiting theatre of the oppressed. Communication Education 53, Nr. 3 (1. Juli): 217–233. doi:10.1080/0363452042000265161, .

Kaiser, Constanze und Andreas Kubik. 2022. Theaterpädagogik als Religionspädagogik? Erste Sondierungen in unbekanntem Gelände. https://www.theo-web.de/ausgaben/2022/21-jahrgang-2022-heft-1/news/theaterpaedagogik-als-religionspaedagogik-erste-sondierungen-in-unbekanntem-gelaende (zugegriffen: 30. Mai 2023).

Primavesi, Patrick. 2014. Stop Teaching! Theater als Laboratorium (a)sozialer Phantasie. In: Stop Teaching!, hg. von Patrick Primavesi und Jan Deck, 15–46. transcript Verlag, 27. Oktober. doi:10.1515/transcript.9783839414088.15, https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/transcript.9783839414088.15/html (zugegriffen: 26. Mai 2023).

Reinhardt, Gabi. 2016. „Jetzt bin ich dran!“ Vom Erlebnis zur Szene – Biografisches Theater mit Kindern und Jugendlichen. Tagungsdokumentation. Fachtagung Neue Herausforderungen in der theaterpädagogischen Arbeit. Leipzig: Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (LKJ) Sachsen e.V.; Theatrium Leipzig-Grünau.

Schreiber, Susann und Kerstin Schmitt. 2016. Kulturelle Vielfalt auf Augenhöhe - Chancen und Methoden für heterogene Gruppen. Tagungsdokumentation. Fachtagung Neue Herausforderungen in der theaterpädagogischen Arbeit. Leipzig: Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (LKJ) Sachsen e.V.; Theatrium Leipzig-Grünau.

Sharifi, Azadeh. 2022. Visionen postkolonialer, postmigrantischer und intersektionaler Ästhetiken des Kinder- und Jugendtheaters. In: Zeitgenössische Theaterpädagogik: macht- und diskriminierungskritische Perspektiven, hg. von Friederike Falk, Eliana Schüler, und Isabelle Zinsmaier, 41–54. Theater Band 129. Bielefeld: transcript. doi:10.14361/9783839457757.